Echte Lungenflechte: Bewohnerin alter Laubbäume

Die Echte Lungenflechte ist eine sehr auffällige und attraktive Flechtenart, die empfindlich auf Luftverschmutzungen reagiert. Sie besiedelt in der Regel alte Laubbäume auf Alpweiden oder in lichten Wäldern. Aufgrund ihrer antibakteriellen und schleimlösenden Wirkstoffe wird sie in der Naturheilkunde verwendet. 

Artportrait der Echten Lungenflechte

Artname

Echte Lungenflechte (D), Lichen pulmonaire (F), Lichene polmonare (I), Lobaria pulmonaria (Lat.)
Fortpflanzung geschlechtlich mit Pilzsporen oder ungeschlechtlich mit kleinen Ausbreitungsstrukturen, bestehend aus einigen Pilzfäden und Algenzellen, die von Tieren oder durch den Wind verbreitet werden

Grösse

unter optimalen Bedingungen können Duchmesser von mehreren Dezimetern erreicht werden
Lebenserwartung teilweise über 100 Jahre
Ernährung autotroph, «sich selbst ernährend» (Photosynthese)
Lebensraum Wald (alte Laubbäume), freistehende Bäume auf Alpweiden 

 

Die Echte Lungenflechte kommt in vielen Teilen der Welt vor. Einzig in Südamerika und an den beiden Polen wurde die Art nicht nachgewiesen. In Europa ist sie weit verbreitet. Allerdings sind in den vergangenen hundert Jahren besonders die Populationen in Zentraleuropa zurückgegangen. In vielen Ländern dieser Region ist die Echte Lungenflechte gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht. In der Schweiz ist sie besonders im Jura und auf der Alpennordseite verbreitet. Dort findet man sie auf Laubbäumen (insbesondere Bergahorn und Buche), meist in feuchten, niederschlagsreichen Lagen. Sie wächst hier sowohl im Wald als auch auf Bäumen im Offenland – vorwiegend auf Alpweiden. In den Zentralalpen und im Tessin kommt die Echte Lungenflechte hingegen kaum vor. Im Mittelland sind die Bestände markant zurückgegangen. 

Eine Augenweide

Die Echte Lungenflechte gehört zu den attraktivsten und auffälligsten Flechten der Schweiz. Sie ist auch für Laien leicht zu erkennen. Ist sie feucht, erscheint sie in leuchtendem Grün. Bei Trockenheit ist sie graugrün bis olivbraun gefärbt. Die Echte Lungenflechte hat grubige Vertiefungen, welche einem netzförmigen Adergeflecht gleichen. Von der Unterseite aus betrachtet erinnert die Form entfernt an Lungenbläschen. 

Flechten: Verbund aus Pilz und Alge

Wie alle anderen Flechten ist auch die Echte Lungenflechte eine Lebensgemeinschaft (Symbiose). Sie besteht aus einem Pilz und einer einzelligen Grünalge, wobei der Pilz den Hauptteil der Flechte ausmacht. Die Algenzellen sind in einer speziellen Schicht des Pilzgewebes eingebettet. Beide Partner der Lebensgemeinschaft profitieren voneinander: Der Pilz schützt die Algenzellen vor verschiedenen schädlichen Einflüssen und liefert ihnen Wasser und Mineralien. Dafür erhält er zuckerähnliche Stoffe, die von den Algenzellen durch Photosynthese produziert werden. 

Langsames Leben

Die Echte Lungenflechte hat einen langsamen Lebenszyklus. Sie benötigt mindestens 30 Jahre von der Besiedlung eines Lebensraums bis zur Geschlechtsreife. Dafür kann sie über 100 Jahre alt werden. Intensiv bewirtschaftete Wälder, in denen Bäume schon nach wenigen Jahrzehnten gefällt werden, sind für die Echte Lungenflechte kaum bewohnbar. In solchen Wäldern fehlen ihr ausreichend alte Bäume mit geeigneten Strukturen und es fehlt ihr schlicht die Zeit, sich auf ihnen anzusiedeln und zu vermehren. 

Bedeutung der Lungenflechte

Die Echte Lungenflechte wird von verschiedenen Tieren und Mikroorganismen als Lebensraum, Nahrung oder Nistmaterial genutzt. Auch der Mensch profitiert von den Eigenschaften der Echten Lungenflechte. In der Medizin wurde sie bereits im Mittelalter gegen verschiedene Lungenleiden eingesetzt. Heute verwendet sie primär die Homöopathie als Mittel gegen Husten. Seit Kurzem laufen in der Schweiz Bestrebungen, die Lungenflechte für eine kommerzielle, medizinische Nutzung zu fördern. Die Lungenflechte ist zudem ein Bioindikator, der uns zeigt, wo die Luft gut ist. 

Massnahmen für die Lungenflechte

Die Echte Lungenflechte ist durch die Verordnung über den Natur- und Heimatschutz (NHV) geschützt. Um die Populationen der Echten Lungenflechte langfristig zu erhalten, sind verschiedene Massnahmen nötig. Bäume, die bereits von der Echten Lungenflechte besiedelt sind, müssen geschützt und die örtlichen Bedingungen bewahrt werden. Dies insbesondere im Mittelland, wo die Bestände stark zurückgehen. Altholzinseln in Wäldern helfen den Lebensraum der Echten Lungenflechte zu sichern. Die Förderung und Erhaltung von Laubbäumen auf Alpweiden der nördlichen Voralpen und des Juras ist ebenfalls eine gute Massnahme, um den Lebensraum der Echten Lungenflechte zu bewahren. 

Wichtig ist zudem die Aufklärung der Bevölkerung: Obwohl die Echte Lungenflechte und andere Flechtenarten auf Bäumen wachsen, sind sie keine Parasiten. Sie sind also nicht schädlich für Bäume und sollten daher auch nicht entfernt werden. 

Gefährdungsstatus der Echten Lungenflechte

Aufgrund des beobachteten Rückgangs wird die Echte Lungenflechte in der Roten Liste als «verletzlich» eingestuft. Als Hauptursachen für ihren Rückgang gelten die Luftverschmutzung sowie Veränderungen in der Waldbewirtschaftung. Die Echte Lungenflechte reagiert empfindlich auf Luftverschmutzung. Besonders die in der Luft enthaltenen gasförmigen Schwefel- und Stickstoffverbindungen machen ihr zu schaffen. Der beobachtete Rückgang im Mittelland kann wegen der hohen Stickstoffbelastung zu grossen Anteilen darauf zurückgeführt werden. Eine naturnahe Bewirtschaftung mit hoher Baumartenvielfalt wirkt sich dagegen positiv auf die Lungenflechte aus. Viele Wirtschaftswälder sind oft zu dunkel für die Echte Lungenflechte, die lichte Wälder oder freistehende Bäume bevorzugt. Weiter sind intensiv bewirtschaftete Wälder für die Lungenflechte problematisch, da Bäume schon nach wenigen Jahrzehnten gefällt werden und somit alte Bäume und naturnahe Strukturen fehlen.

Laubbäume auf Alpweiden der Voralpen und des Juras bieten der Echten Lungenflechte einen idealen Lebensraum. Ursprünglich dienten die Bäume als Schattenspender für das Vieh und ihr Streu wurde als Einlage im Stall verwendet. Moderne Bewirtschaftungsmethoden verdrängen diese Kulturlandschaft und damit den Lebensraum der Echten Lungenflechte zusehends.