Hirschkäfer: Waldarbeiter mit Geweih

Der Hirschkäfer beeindruckt durch seine Grösse und das Geweih der männlichen Exemplare, die damit Machtkämpfe austragen. Doch auch seine Leistung für den Wald ist beeindruckend: Durch den Verzehr von Totholz trägt dieses Insekt zur Humusbildung bei und schliesst damit den Stoffkreislauf.

Artportrait des Hirschkäfers

Artname

Hirschkäfer (D), Cerf-volant (F) Cervo volante (I), Lucanus cervus (Lat.)
Ordnung Schröter (Lucanidae)

Grösse

Weibchen 3,5 bis 5 cm, Männchen 3,5 bis 8 cm
Lebenserwartung als Käfer wenige Wochen
Larvenentwicklung 5 bis 8 Jahre, circa 60 Tage als Puppe
Ernährung Totholz
Aktivitätsfenster Mitte Mai bis Anfang August; Männchen im Schnitt etwas früher als Weibchen 
Lebensraum Wald, urbane Lebensräume (Alleen und Pärke mit alten Baumbeständen)

 

Hirschkäfer lieben es warm. Aus diesem Grund kommt diese Insektenart vor allem in tieferen Lagen fast in der ganzen Schweiz vor. Dass nur wenige Menschen sie je zu Gesicht bekommen, hängt nicht nur mit ihrer Seltenheit zusammen. Den grössten Teil ihres Lebens verbringen Hirschkäfer als Larve verborgen im sich zersetzenden Holz. Während ihres kurzen Lebens als Käfer sind sie vor allem in der Dämmerung und in der Nacht aktiv. 

Hirschkäfer und Totholz

Neben einem passenden Klima brauchen Hirschkäfer auch Totholz. Ihre Larven ernähren sich ausschliesslich von abgestorbenem, sich bereits zersetzendem Holz, vorzugsweise Baumstrünke von Eichen und Edelkastanien. Das Artenspektrum der Bäume, von denen sie sich ernähren, ist jedoch viel breiter. Larven entwickeln sich bis zu acht Jahre lang innerhalb des Holzes. Der Grund für ihre langsame Entwicklung liegt im geringen Nährwert von Totholz. Nährstoffe erhalten sie hauptsächlich durch Pilzfäden, die mit dem Holz aufgenommen werden. Nachdem sie aus ihren Eiern geschlüpft sind, schroten die Larven das Holz durch ihre Fressaktivität zu Mulm. Andere Mikroorganismen wiederum bauen diesen weiter zu nährstoffreichem Humus ab. Hirschkäfer helfen also dabei, den Nährstoffkreislauf zu schliessen. Umgekehrt sind Hirschkäferlarven auch Teil des Stoffkreislaufs, da sie beispielsweise für einige Vogelarten auch Nahrung sind. 

Baumsaft für erwachsene Hirschkäfer

Ausgewachsene Hirschkäfer ernähren sich von Baumsäften. Finden sie keine geeigneten Bäume, nutzen sie auch den Saft von Früchten. Diesbezüglich sind die Weibchen klar im Vorteil. Sie können mit ihren Oberkiefern Bäume anzapfen. Männchen hingegen können dies mit ihren geweihartig vergrösserten Oberkiefern nicht, sie sind auf bereits austretenden Baumsaft angewiesen.

Bedeutung des Hirschkäfers

Der Hirschkäfer mit seinem markanten Erscheinungsbild eignet sich hervorragend als «Flaggschiffart». Mit Flaggschiffart wird im Naturschutz eine prominente, attraktive Tier- oder Pflanzenspezies bezeichnet, mit der sich eine emotionale Motivation für Natur- und Artenschutz begründen lässt. Der Hirschkäfer steht stellvertretend für alle sich von Totholz ernährenden Waldbewohner und deren Bedürfnisse – insbesondere für andere Käferarten. Viele von ihnen stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Ohne Massnahmen, die unter anderem den Fortbestand von Hirschkäfern sichern, wird der Stoffkreislauf des Waldes empfindlich gestört. Schätzungen gehen davon aus, dass der Abbau von Totholz ohne auf Holz spezialisierte Käfer doppelt so lange dauern würde. Dadurch wären Nährstoffe sehr lange in totem Holz gebunden, andere Pflanzen könnten sie nicht nutzen. 

Massnahmen für Hirschkäfer

Um Hirschkäfer und ähnliche Insekten zu fördern, braucht es mehr Totholz und alte Bäume. Insbesondere sich bereits zersetzende Wurzelstöcke alter und massiver Bäume wie Eichen sind ideal für Hirschkäfer. Totholz ist nämlich nicht gleich Totholz. Die unterschiedlichen holzbewohnenden Insekten haben alle ihre eigenen Ansprüche. Die Riesenholzwespe beispielsweise ist auf frisches Totholz von Fichten und Tannen angewiesen. Ein gutes Management berücksichtigt diese spezifischen Bedürfnisse und garantiert eine Versorgung mit Totholz unterschiedlicher Baumarten und Zerfallsstadien.

Wichtig ist aber nicht nur das Angebot selber, sondern auch, wo es zur Verfügung steht. Da Hirschkäfer die Wärme lieben, lassen sie sich gerne an besonnten Standorten in lichten Wäldern nieder. Lichte Wälder mit einem hohen Altholzanteil und einer permanenten Versorgung mit Totholz bilden daher ideale Lebensräume für den Hirschkäfer. Wichtig ist zudem, dass solche Gebiete gut miteinander vernetzt sind. 

Von einem entsprechenden Waldmanagement profitieren auch andere Arten, beispielsweise der in alten Bäumen brütende Schwarzspecht oder das Auerhuhn, das lichte und strukturreiche Wälder bevorzugt.

Gefährdungsstatus des Hirschkäfers

Aktuell entwickeln sich die Populationen in der Schweiz positiv. Der Hirschkäfer wird dennoch auf der Roten Liste als verletzliche Art geführt. Da Hirschkäfer für ihre Entwicklung von der Larve zum Käfer bis zu acht Jahren benötigen, sind zahlreiche Populationen gefährdet – speziell in städtischen und angrenzenden Gebieten, wo ihre Lebensräume und deren Vernetzung durch menschliche Eingriffe beeinträchtigt werden. Hohe Ansprüche in Bezug auf die Nahrung verschärfen die Situation. Totholzstrukturen von grossen alten Bäumen, die über mehrere Jahre geeignete Bedingungen schaffen, sind in der Schweiz eine Seltenheit. Damit Hirschkäfer dieses Holz nutzen können, muss es sich zudem an einem Ort mit geeigneten Klima mit ausreichender Besonnung befinden.